Die Frage der Gerechtigkeit ist zentral
Harsche Kritik äußerte er am „unehrlichen Bundestagswahlkampf“ der Union. Friedrich Merz habe versprochen, dass alles gut wird, ohne die Schuldenbremse zu lösen. Unmittelbar nach der Wahl klang das ganz anders. „Dafür zahlen wir alle einen sehr hohen Preis“, ist Schäfer überzeugt, „weil wir das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik verlieren“.
In einer großen Operation an der Finanzverfassung habe noch der alte Bundestag die Schuldenbremse ausgehebelt. Für Verteidigung und Sicherheit gebe es jetzt keine Obergrenze mehr. Ausgaben für Verteidigung produzierten jedoch kein Wachstum. Längerfristig müssten sie wieder aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Mit Investitionen in die Infrastruktur und die Bildung werde wirtschaftlich mehr erreicht. Bis zum Jahr 2029 werde jetzt eine Billion Euro aufgenommen. Zum Vergleich, in den Jahren 1949 bis 2025 seien es insgesamt zwei Billionen Euro gewesen.
Zwischen den Grünen und der Regierungskoalition war verabredet, dass das Sondervermögen für Infrastruktur nur für zusätzliche Projekte ausgegeben werden. „Das hat nur bedingt geklappt“, stellte der Bundestagsabgeordnete fest.
Dr. Schäfer sprach sich dafür aus, die Vermögenden stärker an der Finanzierung der Staatsausgaben zu beteiligen, indem die Erbschaftssteuer reformiert wird, „und damit etwas für Gerechtigkeit und künftige Generationen zu tun“.
Unterstützung findet Bundeskanzler Friedrich Merz, angesichts des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, bei Schäfer für seine Reisen in die Nachbarländer, Polen, Frankreich und die Ukraine. Richtig finde er auch, das beschlagnahmte russische Staatsvermögen von 140 – 150 Mrd. Euro im Vorgriff auf Reparationen Russlands der Ukraine zur Verfügung zu stellen.
Regierung vernachlässigt Klimaschutz
„Stark ins Hintertreffen“ gerate bei der aktuellen Bundesregierung die Klimaneutralität. Den Klimatransformationsfonds missbrauche sie zur Subventionierung von fossilem Gas. Sie verlasse sich zu sehr darauf, dass es der Markt richten wird. Dr. Schäfer bezweifelt, dass das politisch durchsetzbar ist, wenn die Preise für den CO2-Ausstoß stark ansteigen. „Wir müssen dafür sorgen, dass alles bezahlbar bleibt“, meint er. Die Wärmepumpe werde immer beliebter, weil die Leute rechnen können.
Da beim Klima die ersten Kipppunkte bereits erreicht wurden, müsse auch in die Klimaanpassung investiert werden. Flächen seien zu entsiegeln und Wasserspender und Grün in die Städte zu bringen. Neben der Vorbereitung auf die Hitze müsse man sich auch auf Extremwetterereignisse vorbereiten.
Im Superwahljahr 2026 stünden fünf Landtagswahlen an. Die wichtigste sei die in Baden-Württemberg. „Cem Özdemir ist aus dem Material, aus dem Ministerpräsidenten gemacht sind“, so Schäfer. Er sei erfahren und unerschrocken. Entscheidend sei die Bildungspolitik „um alle Kinder - unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, zu produktiven Mitgliedern der Gesellschaft zu machen“.
In Deutschland gebe es trotz allem noch immer gute Voraussetzungen für eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Bei der Besichtigung der Firma Mehrwegkonzepte in Bad Mergentheim habe er einmal mehr erlebt, wie man mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben kann.
Die Rente sicher machen
In unserer Gesellschaft sei die Frage der Gerechtigkeit ganz zentral. Nach unten zu treten sei für Populisten wie Jens Spahn und Carsten Linnemann attraktiv, aber falsch. Als „große Baustelle“ bezeichnete Sebastian Schäfer die sozialen Sicherungssysteme. Ein Arbeiter in Ostdeutschland lebe rund 20 Jahre kürzer als ein westdeutscher Beamter. Sympathien habe er für die Gruppe junger Bundestagsabgeordneter der CDU, die sich gegen die Rentenpläne der Bundesregierung auflehnten.
Die Bundestagsfraktion der Grünen betreibe als einzige keine fundamentalistische, sondern eine kritische und konstruktive Oppositionspolitik. Ihr Ziel sei es, einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen.
In der anschließenden Diskussion wurde Dr. Schäfer auf eine Kapitalmarkt-Transaktionssteuer angesprochen, die ein Weg für mehr Gerechtigkeit sei, jedoch nicht national, sondern nur europaweit eingeführt werden könne. Nach der Maskenaffäre von Jens Spahn gefragt bedauerte er, dass es im Bundestag nicht genügend Stimmen aus demokratischen Fraktionen für einen Untersuchungsausschuss gibt.