"Die Entwicklung der Gaspreise ist schrecklich"
MdB Dr. Sebastian Schäfer informierte sich beim Stadtwerk Tauberfranken
Die Sorgen vieler Menschen bezüglich der drastisch steigenden Energiepreise veranlasste den Betreuungsabgeordneten für den Main-Tauber-Kreis, MdB Dr. Sebastian Schäfer (Grüne), sich in Begleitung von Stadt- und Kreisrat Rainer Moritz sowie Stadtrat Thomas Tuschhoff beim Stadtwerk Tauberfranken über dessen Pläne zur Krisenbewältigung zu informieren.
Bis 2025 klimaneutral
Die beiden Geschäftsführer Paul Gehrig und Dr. Norbert Schön konnten bereits auf etliche Erfolge bei der Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien verweisen. Rund 20 Millionen Euro hat das Stadtwerk in den Aufbau eines Fernwärmenetzes und den Bau eines Holzhackschnitzel-Heizkraftwerks in Bad Mergentheim investiert, das klimaneutral sowohl Wärme, als auch Strom erzeugt. Aktuell sei man dabei, die Installation eines zweiten Biomassekessels zu planen, um die Kapazität des „Naturwärmekraftwerks“ zu erhöhen und weniger Erdgas für die Erzeugung des Spitzenlastbedarfs zu benötigen. Die Nachfrage nach Fernwärme sei wegen der Energiepreisentwicklung stark gestiegen und mit der jetzigen Anlage nicht mehr zu decken. „Das Stadtwerk hat insgesamt das Ziel, bis zum Jahr 2025 klimaneutral zu werden“, berichtete Gehrig. Beim Strom erreiche man dieses Ziel bereits 2023.
Der gemeinsam mit der Thüga Erneuerbare Energien (THEE) erbaute Windpark in Külsheim „erzeugt 110 Prozent der Prognose und gehört jedes Jahr zu den drei besten Windparks im Besitz der THEE“, so Dr. Schön. Durch eine Bürgerbeteiligung an diesem Windpark habe es dort auch keine Akzeptanzprobleme gegeben. Vielmehr werde aus Külsheim der Wunsch geäußert, weitere Windräder aufzustellen. In einer Waldlichtung entstehe dort mit einer Leistung von 33,5 MWp „die größte Freiflächenphotovoltaikanlage des Landes“. Dr. Schön verwies gleichzeitig aber auch auf das Problem, dass der Umbau des Stromnetzes weg von der zentralen Stromerzeugung und hin zu einer dezentralen viel zu langsam voranschreite. „Der Umbaubedarf wird vielfach noch nicht richtig erkannt“, meint Dr. Schön. Lieferkettenprobleme und der Fachkräftemangel führten beim Ausbau der Photovoltaik zudem zu großen Verzögerungen.
Erfolgreiche Kooperation mit Kommunen
Die Stadt Bad Mergentheim und die Thüga haben dankenswerter Weise insgesamt 10 Prozent am Stadtwerk Tauberfranken an eine Beteiligungsgesellschaft abgegeben, um weitere Kommunen an der Wertschöpfung des Stadtwerks beteiligen zu können. Neun Kommunen haben das bereits genutzt. Die Zusammenarbeit habe sich laut Paul Gehrig „super gut entwickelt“. Die Kommunen seien dadurch näher an den anstehenden Themen dran und könnten ihre Anliegen einbringen. Gemeinsam verwirkliche man Projekte, zum Beispiel bei der Entwicklung und Umsetzung von Klimaschutzkonzepten und Wärmeplänen. Ungewöhnlich für einen Energieversorger, mit Ann-Kathrin Murphy beschäftigt das Stadtwerk Tauberfranken seit einem Jahr eine erfahrene Klimaschutzmanagerin, die sowohl dem Landkreis, als auch mehreren Kommunen dabei hilft.
Als weiteres Geschäftsfeld des Stadtwerks erwähnte Geschäftsführer Gehrig den Aufbau eines LoRaWAN-Netzes für Smart-City-Anwendungen. Damit könnten beispielsweise Wertstoff-Container überwacht und deren Leerung optimiert werden. Durch einen mit Feuchtigkeitssensoren ermittelten Wasserbedarf von Sportplätzen könne man 40 Prozent Wasser einsparen, ohne die Rasenqualität zu beeinträchtigen. Mit dem „5G Synergiewerk“ fördere das Stadtwerk den Aufbau des 5G-Netzes. In seinem Versorgungsgebiet habe das Stadtwerk bereits 50 Ladesäulen für Elektroautos installiert. Zudem sei es Mitglied in der Wasserstoff-Allianz, mit der aus grünem Strom Wasserstoff für den Schwerverkehr und den ÖPNV gewonnen werden soll.
Energiepreise werden drastisch steigen
Viele Bürgerinnen und Bürger hätten die Erhöhung der Energiepreise noch nicht richtig erkannt, befürchtet Paul Gehrig. „Die Entwicklung der Gaspreise ist einfach nur schrecklich“. Es gehe nicht nur um die Gasumlage von 2,4 ct/kWh. Vielmehr komme noch die Gasspeicherumlage hinzu. Durch den Ukraine-Krieg habe sich aber vor allem der Bezugspreis für Erdgas vervielfacht. Kostete eine Kilowattstunde Gas die Verbraucher bisher zum Beispiel 7 ct, müssten sie künftig mit mehr als 20 ct rechnen. Die Kilowattstunde Strom werde nicht mehr 30 ct, sondern 50 ct kosten. Der Bund nehme durch die höheren Energiepreise auch mehr Umsatzsteuer ein. „Es ist nicht fair“, so Gehrig, „dass der Bund davon profitiert“. Um den Preisanstieg zu dämpfen plädiert er deshalb für das Absenken der Umsatzsteuer auf Energie. Das sieht MdB Sebastian Schäfer anders. Für ihn ist die gezielte Unterstützung der Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zentral, die durch die Energiepreisentwicklungen besonders getroffen sind. Das sei mit einer Umsatzsteuersenkung nicht zu erreichen. Für ihn ist klar „dass wir aufgrund der Abhängigkeit bei der Energie Wohlstand verlieren“. Deshalb seien gezielte Entlastungen in der aktuellen Situation umso wichtiger.
Unterstützung beim Energiesparen
Das Stadtwerk Tauberfranken appelliert an seine Kunden, Energie einzusparen wo immer es geht, auch wenn die Preissteigerungen damit nicht komplett aufgefangen werden können. Klimaanlagen sollten abgeschaltet oder auf höhere Temperaturen eingestellt werden, „lieber im Sommer schwitzen als im Winter frieren“. Die Raumtemperatur im Winter um ein Grad zu senken reduziere den Energiebedarf um 6 Prozent. Das Stadtwerk geht hier mit gutem Beispiel voran. Im eigenen Haus wird es die Räume nur noch auf 19 Grad heizen. Hierfür werden die Thermostate umgerüstet und mittels LoRaWAN steuerbar. Im Herbst starte es eine Pressekampagne zum Energiesparen. Außerdem habe es zusätzliches Personal für die Energieberatung eingestellt. Es werde nicht leicht werden, Geschäftsführer Paul Gehrig ist jedoch davon überzeugt, dass es in Deutschland gelingen kann, den Energieverbrauch um „15 Prozent plus x“ zu senken.
Als Wunsch an die Bundespolitik gab Gehrig MdB Dr. Schäfer mit, bei der Vermarktung von Strom als Regionalstrom nicht nur nach dem Erneuerbare Energien Gesetz vergüteten Strom zuzulassen, sondern auch sogenannten PPA-Strom, der in der Region erzeugt wird. Bei der Bundesförderung effiziente Wärmenetze solle die unsinnige Begrenzung des Anteils von Biomasse auf 25 Prozent abgeschafft werden.