Die Bundesregierung hat versagt
Der Garten des Café WeinLese in Gerlachsheim ist idyllisch. Im Schatten hoher Bäume und umgeben von bunten Blumen sitzen die Gäste an rot gedeckten Tischen. Es könnte alles schön und und harmonisch sein. Die Stimmung aber ist bei der Veranstaltung der Grünen zum Thema „Konsequente Klimapolitik ist eine Politik für Frieden und Sicherheit“ sehr ernst und bedrückt. Grund dafür sind die aktuellen Ereignisse in Afghanistan. Zu Gast sind Agnieszka Brugger, Expertin der Bundestagsfraktion ihrer Partei für Friedens- und Sicherheitspolitik und die Bundestagsabgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel. Brugger kommt direkt aus Berlin, wo sie am Verteidigungsausschuss teilgenommen hat, und ist „in Gedanken sehr stark bei dem, was gerade in Afghanistan passiert“. Die Sorge um die Ortskräfte, welche die Bundeswehr über Jahre unterstützt haben und nun in höchster Gefahr sind, liegt über der Veranstaltung.
Klimakrise verschärft Konflikte
„Klima, Sicherheit und Frieden sind untrennbar miteinander verbunden“, stellt Agnieszka Brugger fest. Der Klimawandel verschärfe bereits vorhandene Konflikte enorm. In Kirgisistan sei es zu Kämpfen wegen der Wasserknappheit gekommen, die Dürre führe in Nigeria zu Konflikten zwischen Hirten und Ackerbauern, die mehr Todesopfer forderten als der Terror von Boko Haram. Durch den Klimawandel würden bis 2050 etwa 280 Millionen Menschen ihre Heimat verlieren. Die Energiewende sei jedoch nicht nur wegen des Klimawandels nötig. Denn die fossilen Energieträger kämen nicht gerade von den „good guys“, sondern von Putin und den Golfstaaten.
Die Bundestagswahl 2021 „ist eine ganz entscheidende Wahl“, so Brugger. Sie entscheide darüber, ob Deutschland auf dem 1,5 °C-Pfad bleibe und den Kohleausstieg vorziehe oder nicht. Sie kritisierte die große Koalition, die sich sogar von den eigenen Beschlüssen eines CO2-Preises wieder verabschiedete.
Auslandseinsätze der Bundeswehr unabhängig evaluieren
Nach diesem Exkurs zur Klimapolitik kam Brugger wieder auf Afghanistan zu sprechen. Sie sehe darin „eine Zäsur“. Die Bilder von den Evakuierungen erinnerten sie an die beim Abzug der Amerikaner aus Vietnam. Sie habe das Mandat der Bundeswehr für den Einsatz in Afghanistan stets abgelehnt. Bei ihren Besuchen vor Ort habe sie viele Menschen getroffen und gesprochen. In den letzten 20 Jahren habe es viele Strategiewechsel gegeben. Die Situation sei dennoch immer aussichtsloser geworden. Die Bundeswehrsoldaten hätten den Sinn ihres Einsatzes mehr und mehr bezweifelt. Trotz militärischer Präsenz des Westens seien die Taliban immer stärker geworden. Es sei erschreckend, „wie wenig bleibt“. Die mit den Wahlen verknüpften Hoffnungen seien enttäuscht worden. In Afghanistan habe eine korrupte Regierung nur die eigene Klientel bedient. Schon seit langem fordere sie daher eine unabhängige Evaluation solcher Auslandseinsätze. „Man darf die Probleme nicht mehr schön reden“, meint Agnieszka Brugger. Dies gelte auch für Mali, wo die militärische Ausbildung trotz zweier Putsche unverändert fortgeführt werde.
Versagen der Bundesregierung ist beschämend
Bei der Rettung der Ortskräfte in Afghanistan handle es sich um ein „Versagen der Bundesregierung“. Sie könne nicht fassen, dass die Bundesregierung „bewusst beschlossen hat, den Kreis der zu Rettenden möglichst klein zu halten und ihm auch noch bürokratische Hürden in den Weg zu legen“, so Brugger. Es habe kaum Ansprechpartner gegeben und die Leute sollten ihre Flüge selbst bezahlen. Dagegen habe es massiven Protest aus den Reihen der Bundeswehr gegeben. Nun müsse die Regierung mit den Taliban verhandeln und sei erpressbar geworden. Sie finde dies „beschämend“.
Ein Teilnehmer erinnerte daran, dass die Grünen bereits im April im Bundestag den Antrag gestellt hatten, Ortskräfte zu evakuieren. Dieser Antrag wurde von der großen Koalition abgelehnt. „Man hätte etwas tun können und hat das aus Angst vor einer neuen Flüchtlingsdebatte im Bundestagswahlkampf nicht gemacht“.
Auf die Rüstungsexporte angesprochen erklärte die Friedens- und Sicherheitspolitikerin, dass die Grünen alle Rüstungsexporte an Menschenrechtsverletzer und Kriegsparteien wie die Kriegsallianz im Jemen einstellen wollen.
Kreisvorsitzende Birgit Väth bedankte sich abschließend bei Agnieszka Brugger für ihr Kommen und ihre Ausführungen mit einem Buchgeschenk.