Was ist uns das Fleisch wert?
Nach der Begrüßung durch die Bundestagsabgeordnete führte Martin Hahn (MdL, agrarpolitischer Sprecher der Grünen Fraktion im Landtag Baden-Württemberg) aus, dass die Zahl der Betriebe in Baden-Württemberg mit Tierhaltung - egal ob Hühner, Schweine oder Kühe - weiterhin abnehme, während in anderen Regionen die Agrarfabriken mit Großställen wüchsen. Dies verschärfe die bestehenden Probleme in der Landwirtschaft. Nicht zuletzt um sich von EU-Tierimporten zur Fleischverarbeitung frei zu machen sei der Erhalt der Höfe und die Art ihres Wirtschaftens von entscheidender Bedeutung, um Artenvielfalt und mittelständische Landwirtschaft im Land zu erhalten. Die grüngeführte Landesregierung setze darauf, den ökologischen Landbau sowie alles, was den Umbau hin zu einer besseren Tierhaltung bewirke, zu fördern. Es sei klar, dass eine Agrarwende auch einen veränderten Fleischkonsum bedeuten müsse.
Margret Beck (Bäuerin und Vorsitzende der Landfrauen Main-Tauber) erklärte, dass ihr als Bäuerin besonders am Tierwohl gelegen sei, von der Aufzucht bis zur Schlachtung. Früher habe man die Tiere ohne lange Transportwege zu regionalen Schlachtereien bringen können und nicht in große industrielle Schlachtanlagen. Die Entwicklung hin zu immer mehr und immer billigerem Fleisch sei nicht hinnehmbar und bei verantwortungsvoller Tierhaltung nicht kostendeckend umzusetzen. Für sie stelle Fleisch ein hochwertiges Lebensmittel dar, das seinen wahren finanziellen Gegenwert erhalten sollte.
Kunden brauchen Fleischkennzeichnung
Die aus Markelsheim kommende Bäuerin und Metzgermeisterin Claudia Albrecht ergänzte, dass die rechtlichen Auflagen die Existenz der zentral im Ort gelegenen Schlachtereien bedrohen würden. Bei notwendigen Erweiterungen fehle oft der Platz um anzubauen. Ein Neubau außerhalb des Ortes sei finanziell in der aktuellen Situation oft nicht leistbar. Wie ihre Vorrednerin sprach auch sie sich für eine für den Verbraucher deutliche Fleischkennzeichnung zu Herkunft und Haltung aus. Besonders wichtig war ihr zu betonen, dass es für Landwirte möglich sein müsse, ohne Subventionen und ohne Förderung allein über die Marktpreise den realen Wert des Fleisches und seiner Herstellung zu erwirtschaften.
Die Vorteile der Direktvermarktung brachte Landwirt Simon Kunzmann ein. Kunzmann leitet einen familieneigenen Bioland-Betrieb mit Schweinen im geschlossenen System in Schefflenz. Er ist Direktvermarkter und seine Produkte dürfen das Label der Bio-Musterregion Neckar-Odenwald tragen. Der direkte Kontakt ermögliche Kunzmann zum Beispiel, auf Wochenmärkten dem Endkunden den Preis seiner Produkte zu erklären und mit diesem Wissen wachse die Bereitschaft auch den realen Preis zu bezahlen. Für ihn sei Fleisch ein Luxusprodukt, das man sich gönnen dürfe - aber dies müsse man der Gesellschaft auch erst wieder ins Bewusstsein rufen. Er nutze dabei auch den Slogan „Entdecke wie gut Verantwortung schmeckt“.
Danach entwickelte sich ein sehr differenziertes und informatives Gespräch zwischen Politik, Produzenten und Konsumenten, bei dem auch 20 weitere Teilnehmer*innen, darunter viele Landwirtinnen und Landwirte aus der Region, aber auch Verbraucherinnen und die Leiterin einer Großkantine, zu Wort kamen.
Gesetzliche Rahmenbedingungen erforderlich
Grundlegender gemeinsamer Konsens war, dass es um Landwirtschaft mit hohem Tierwohlanspruch, regionaler Wertschöpfung und sozial gerechter Bezahlung zu gewährleisten, von politischer Seite gesetzliche Rahmenbedingungen brauche um Veränderungen und konstruktive Lösungen im landwirtschaftlichen Bereich anzugehen. Dabei gelte es, die Landwirtschaft mit regionaler Wertschöpfung und mittelständischen Schlachtbetrieben nicht der Fleischindustrie und der Massenproduktion zu opfern. Dazu gehöre auch, dass Verbraucher*innen durch eine klare Kennzeichnung die Auswahl ihres Fleisches erleichtert würde.
„Billigfleisch nutzt nur den Fleischbaronen - und sonst niemandem“, so die grüne Bundestagsabgeordnete abschließend. “Den Preis des Billigfleischsystems bezahlen die Menschen, bezahlen die Tiere und bezahlt die Natur. Wir alle müssen unseren Teil dazu beitragen, den Wandel in der Fleischproduktion herbeizuführen. Als Einzelpersonen müssen wir uns fragen, ob es jeden Tag Fleisch sein muss. Als Gesellschaft müssen wir die soziale Frage lösen, wie wir allen Menschen Zugang zu gesunden und nachhaltig produzierten Lebensmitteln garantieren und bäuerlichen Betrieben ein existenzsicherndes Einkommen ermöglichen.“