Rede zum Haushalt 2021 des Landkreises

Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

Corona

Das Jahr 2020 war geprägt von der Corona-Pandemie. Das Gesundheitsamt, das normalerweise eher ein Schattendasein führt, stand auf einmal im Mittelpunkt. Die räumliche und personelle Ausstattung entsprach und entspricht auch heute noch nicht der Bedeutung und dem Bedarf der Gesundheitsfürsorge. Im Hauruck-Verfahren wurde aufgerüstet und personell aufgestockt. Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime und somit auch Ärzte, Pflegepersonal und Patienten und Bewohner standen mit einem Schlag im Fokus der Öffentlichkeit. Wie ein Brennglas wurden die Schwachstellen oder Schieflagen unserer Gesellschaft erkennbar. Selbst wenn die Leugner*innen und Verharmloser*innen nur eine kleine Minderheit sind, sind deren Behauptungen und Ängste für uns alle absolut unverständlich. Sie können aber leider auch nicht durch wissenschaftliche Beweise überzeugt werden. Die Pandemie wird uns noch Monate im Griff halten und wir können an dieser Stelle nur an die Bevölkerung appellieren, sich an die Schutzmaßnahmen zu halten und die Impfmöglichkeiten, die es bald für alle geben wird, zu nutzen.

Klimaschutz

In den letzten Jahren stand der Klimaschutz zu Beginn unserer Ausführungen. Im öffentlichen Bewusstsein ist jetzt allerdings Corona das Hauptthema. Aktuell ist dies auch richtig, weil die unmittelbare Bedrohung uns allen realer erscheint und die Bedrohung greifbar ist, aber letztlich wird uns der Klimawandel in die weitaus größere und weniger kurzfristig steuerbare Katastrophe führen. Vor allem viele junge Menschen haben erkannt, dass ihre Zukunft in Gefahr ist. Mit unserem Klimaschutzkonzept haben wir einen moderaten Fahrplan beschlossen, der nach und nach unbedingt abgearbeitet werden muss. Immerhin fand mit zweijähriger Unterbrechung am 13. Februar 2020 eine Sitzung des Lenkungskreises statt. Manche Themen wurden sogar umgesetzt, wie zum Beispiel die Freiflächenphotovoltaik auf dem Laurentiusberg. Andere Themen, wie umweltfreundliche Beschaffungen, beispielsweise auch für Geschenke, und Fuhrparkmanagement wurden nicht mehr thematisiert. Anderes, wie Öffentlichkeitsarbeit und Beratung, fielen der Pandemie zum Opfer. Der Lenkungskreis müsste unseres Erachtens mindestens zwei Mal pro Jahr tagen und wird 2021 hoffentlich baldmöglichst seine Arbeit wieder aufnehmen. Positiv zu bemerken ist, dass die Energieberatung personell aufgestockt wurde.

BiomusterRegion

Sowohl im Rahmen von Haushaltsreden als auch beim Klimaschutzkonzept wurde bereits in der Vergangenheit die BiomusterRegion angesprochen. Dass wir von der Grün-geführten Landesregierung noch kurz vor dem Jahreswechsel den Zuschlag erhielten, war ein schönes Weihnachtsgeschenk. Viele Akteure haben sich mit Ideen und Engagement in den Entstehungsprozess der Bewerbung eingebracht. Wir sind froh, dass diese Potentiale gehoben werden konnten und freuen uns für die Produzent*innen, Verarbeiter*innen, Vermarkter*innen, sowie Verbraucher*innen und Gäste des Main-Tauber-Kreises auf eine baldige Umsetzung. Die finanziellen Voraussetzungen wurden im Haushalt bereits etatisiert.

Mobilität

Auch dieser Bereich war von der Pandemie betroffen, insbesondere Busse und Bahnen. Der Probebetrieb der Frankenbahn mit dem Regionalbahnverkehr läuft derzeit unter erschwerten Bedingungen und kann in Coronazeiten wohl nicht erfüllt werden. Aber dies ist allen Beteiligten bewusst. Das Ruftaxi war und ist auf einem guten Weg und das neue, zusätzliche Angebot des Haustürstopps ist ein kundenfreundliches Angebot. Die Werbung dafür konnte im vergangenen Jahr leider nicht durchgeführt werden, was ab diesen Sommer hoffentlich wieder möglich sein wird, denn viele Menschen wissen gar nicht, dass es ein entsprechendes Angebot gibt. Dies gilt auch für den abendlichen Busergänzungsverkehr. Erfreulich ist, dass der Landkreis als Arbeitgeber beim Jobticket eingestiegen ist, obwohl wir derzeit Corona bedingt erschwerte Voraussetzungen für den ÖPNV haben. Aber es ist ein sehr gutes Angebot und steht nicht nur Unternehmen zur Verfügung, sondern auch allen kommunalen Arbeitgebern. Bad Mergentheim könnte hier noch weitere Nachahmer finden.

Die Mobilitätszentrale in Lauda ist seit Jahren ein Dauerthema und wird uns offensichtlich über 2021 hinaus begleiten. Das ist schade. Wenigstens wird es dort bald wieder eine Toilettenanlage geben, wenn auch nicht im nahe gelegenen ehemaligen Bahnhofsgebäude. Die Bahnhalte an der Tauberbahn werden nach wie vor sukzessive erneuert. Der Bahnhof Bad Mergentheim muss leider noch warten. Wir hoffen, dass dort eine fahrgastfreundlichere Sanierung möglich sein wird, denn weder das Ergebnis in Lauda noch in Tauberbischofsheim kann überzeugen – im Gegenteil.

Der Ausbau des Radwegenetzes muss ernsthaft und mit Nachdruck betrieben werden. Nach dem Wertheimer Kembachtal steht Markelsheim–Apfelbach an und viele weitere Ausbaumaßnahmen des Landes. Dabei gilt es sowohl den hiesigen Alltagsradverkehr zu berücksichtigen, als auch den zunehmenden Inlandstourismus.

Natürlich müssen auch unsere Kreisstraßen in Ordnung gehalten werden und dabei sind Wünsche und finanzielle Möglichkeiten nur schwer in Einklang zu bringen. Auch mit einem leicht gekürzten Deckenprogramm kann Notwendiges erfolgen. Der räumliche Proporz kann kein Kriterium für die Vergabe sein.

Bildung

Die Sanierung des Berufsschulzentrums Wertheim war im vergangenen Jahr ein beherrschendes Thema und wird uns auch weiter beschäftigen. Wir Grüne stehen sowohl zu dem Werkstattneubau, als auch zu dem Fachraumzentrum und der Generalsanierung des Hauptgebäudes, weil Bildung das Fundament für die persönliche und berufliche Entwicklung eines jeden ist. Es war dennoch sinnvoll, die Maßnahme noch einmal einer gründlichen Überprüfung zu unterwerfen, nicht nur, aber auch um Einsparungen zu ermöglichen. Die Glasbläserabteilung ist nicht nur für Wertheim oder den Kreis von besonderer Bedeutung, sondern auf Grund ihres Alleinstellungsmerkmals über die Landesgrenze hinweg. Die Ausbildung des Nachwuchses ist das beste Mittel, dem Facharbeitermangel entgegenzuwirken, der allgemein und zu Recht geklagt wird.

Natürlich darf nach Bad Mergentheim und Wertheim auch Tauberbischofsheim nicht aus den Augen verloren werden. Das berufliche Schulwesen ist der Demographie und einem sich ständig ändernden Prozess unterworfen. Wenn wir gestern noch von sinkenden Schülerzahlen sprachen, so müssen heute schon wieder Kigas und Grundschulen ausgebaut und erweitert werden, was wiederum in wenigen Jahren Einfluss auf die Berufsschulen haben wird.

Bronnbach

Unsere nächste Großbaustelle ist Bronnbach. Wir Grüne stehen nach wie vor zu Kloster Bronnbach und seiner Weiterentwicklung. Mit dem Abschluss des Pachtvertrags wurde eine richtige Entscheidung getroffen. Eine weitere Feinjustierung erscheint aber erforderlich, sowohl nach innen als auch nach außen. Auch wenn hierfür keine übergroße Eile herrscht, bedürfen Vinothek, Veranstaltungen, Zuständigkeiten und Kompetenzen einer klaren Abgrenzung, die natürlich auch veränderbar ist und anpassbar sein muss. Kloster Bronnbach muss im Leben stehen und sollte nicht nur eine romantische Kulisse sein.

AWMT

Endlich. Endlich soll 2021 ein Musterrecyclinghof in Bad Mergentheim errichtet werden. Das allgemein eingeplante geringe Defizit des AWMT ist zu verschmerzen, weil im kommenden Jahr eine neue Gebührenkalkulation erfolgen wird. Anreize für die Müllvermeidung müssen dabei, unserer Meinung nach, unbedingt mehr Berücksichtigung finden. Auch das Thema Plastikmüll und Mikroplastik steht bei uns oben auf der Agenda. Egal ob Gelber Sack oder Gelbe Tonne, der Plastikmüll muss vor allem reduziert und entsprechende Anreize geschaffen werden. Das jahrelange Aufregerthema Windelkonzeption ist nun entgegen der Erwartungen im Ressort Soziales gelandet. Das Wichtigste dabei ist: sie kommt! Trotz Widerstände bekommen nun auch, wie von uns angeregt, die Nutzer*innen der Stoffwindeln einen Zuschuss, denn der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht. Immerhin machen Windeln 10 % des Hausmülls aus. Erfreulich ist, dass die Erfolgsrechnung der AWMT fast ausgeglichen werden konnte und keine Schulden machen muss.

Soziales und Jugendhilfe

Dies ist wie immer der größte Etat im Kreishaushalt, aber hier haben wir nur wenig Gestaltungsspielraum und setzen vor allem die Vorgaben des Bundes um und reagieren auf die gesellschaftlichen Veränderungen in unserem Land.

Neue Wohnheime und Werkstätten schlagen sich zwangsläufig in einem höheren Zuschussbedarf nieder. Hier entstand bzw. entsteht kein Luxus, sondern ein menschenwürdiger Lebensraum. Sowohl Menschen mit Behinderung werden älter, aber auch ihre familiären Betreuer*innen. Sowohl der räumliche, als auch personelle Nachholbedarf des Kreises war daher vorhersehbar.

Der Zuschuss bei der Jugendhilfe hat sich nach Jahren des Anstiegs, zumindest für 2021, eingependelt. Der Wert von Familienzentren, als freiwillige präventive Leistung, wird nach wie vor in den Kommunen unterschiedlich bewertet. Dass die „zweite Kammer“ des Kreistags, die Bürgermeisterversammlung, hier offenbar mehr Mitsprache hat als der Kreistag als Geldgeber, ist nicht in Ordnung.

Der Zuschussbedarf bei der Hilfe zur Pflege macht einen enormen Sprung nach oben. Hier ist der Gesetzgeber in Berlin dringend gefordert. Corona kann nicht jede Untätigkeit entschuldigen.

Beim Thema Flüchtlinge ist positiv zu bemerken, dass die Gemeinschaftsunterkunft Zwischen den Bächen in Bad Mergentheim endlich, nach jahrelangem Stillstand, saniert wird. Das Land leistet hier einen sehr guten Beitrag durch den Pakt für Integration. Aber nicht zuletzt auch die ehrenamtlichen Helfer vor Ort. Die Situation in den Lagern an den Außengrenzen der EU ist leider nach wie vor unmenschlich, unsozial und unchristlich. Immerhin haben mindestens zwei Städte im Main-Tauber-Kreis der freiwilligen Aufnahme von Flüchtlingsfamilien zugestimmt. Da das Thema in den Bereich der unteren Verwaltungsbehörde des Landkreises fällt, musste sich der Kreistag nicht mit der Thematik auseinandersetzen. Wir gehen davon aus, dass wenigstens die im Landkreis anwesenden Geflüchteten gut und mit der notwendigen Empathie versorgt werden.

Digitalisierung

Auch hier hat uns die Coronapandemie gezeigt, wo unsere Schwachstellen sind, aber auch, dass es gut und richtig war in den Ausbau der Netze und die Digitalisierung zu investieren. Ohne ein stabiles Netz mit ausreichender Leistung wären sowohl die Betriebe, Verwaltungen und Schulen von der Außenwelt abgeschnitten; als auch die Attraktivität des Main-Tauber-Kreises als Wohnraum in Gefahr. Leider sind aber nach wie vor noch nicht alle mit ausreichender Kapazität versorgt. Hier dürfen wir es nicht bei Versprechen belassen und müssen die Telekom immer wieder an ihre Zusagen erinnern. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass Schulen nicht nur mit der entsprechenden Hard- und Software ausgestattet werden müssen, sondern auch die Pflege und Wartung in professionelle Hände kommen muss.

Finanzen

Die vergangenen Jahre waren sehr gute Jahre. Obwohl für 2020 eine Neuverschuldung geplant war, konnte davon abgesehen werden und sogar Schulden getilgt und die Rücklagen erhöht werden. Die Kommunen werden 2021 die Einnahmerückgänge sicher deutlich zu spüren bekommen, was bei der Kreisumlage erst zeitversetzt ankommen wird. Aus diesem Grund standen wir von Anfang an zu einer Senkung des Hebesatzes der Kreisumlage. Die Kreisumlage sollte zwar nicht einem ständigen Auf und Ab unterworfen sein, aber besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. In Erinnerung, dass sich die deutsche Wirtschaft 2009 nach der Finanzkrise überraschend schnell erholt hat und die Schrumpfung der Wirtschaftskraft im vergangenen Jahr mit einem Minus von 5% noch erträglich war, hoffen auch wir auf eine rasche Erholung der Wirtschaft und Steuereinnahmen. Gleichwohl sind unsere Investitionsvorhaben in den nächsten Jahren enorm. Diese dienen aber auch antizyklisch der heimischen Wirtschaft.

Der Schnellschuss der CDU-Fraktion wenige Minuten vor der entscheidenden Sitzung im Haushalt 1 Million einsparen zu wollen, war und ist unserer Meinung nach populistisch einzuordnen. Weil man nicht mit einer weiteren Senkung der Kreisumlage auftrumpfen konnte, musste man sich etwas Neues überlegen, mit dem man die Bürger*innen beeindrucken kann. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, die bisher immer vorhandene Luft aus dem Haushalt zu lassen, denn in den letzten Jahren hat die Kämmerei immer ein besseres Ergebnis erzielt als geplant war. Wir hätten es allerdings für sinnvoller erachtet, im Laufe des Jahres eine Haushaltsstrukturkommission einzuberufen, die nicht nur einmalig nach Gutdünken der Verwaltung, sondern durch abgestimmte nachhaltige Maßnahmen Wirkung im Etat zeigen soll.

Trotzdem sehen wir keinen Grund, dem Haushalt nicht zuzustimmen.

Zuletzt möchten wir uns für die faire, kooperative Zusammenarbeit, sowohl mit Ihnen Herr Landrat Frank, aber auch mit allen Dezernentinnen und Dezernenten bedanken. Auf der „Regierungsbank“ wird es im Laufe des Jahres ja einige Veränderungen geben. Eine teilweise jahrelange, gute Zusammenarbeit wird damit zu Ende gehen. Herzlichen Dank dafür schon hier und heute.

Ihnen allen wünschen wir alles Gute für eine glückliches, zufriedenes und vor allem gesundes Jahr 2021 und freuen uns auf konstruktive Auseinandersetzungen zum Wohle des Main-Tauber-Kreises.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

20.01.2021

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