Die Herausforderungen annehmen

Die Haushaltsrede 2023 von Kreisrat Rainer Moritz

Vor einem Jahr war man verhalten optimistisch: die wiedergewählte Landesregierung hatte einen ambitionierten Klimaschutz-Koalitionsvertrag vereinbart, in Berlin regierte eine neue Koalition mit hohen Erwartungen und mit der hohen Impfquote und ausreichendem Impfstoff, sah man Licht im Tunnel bei der dominanten Coronapandemie. Das Jahr 2022 verlief, wie wir alle wissen, völlig anders als erwartet. Die Folgen des Überfalls von Putin-Russland auf die Ukraine zeigten uns gnadenlos unsere Schwachstellen auf: Abhängigkeit bei den Lieferketten, besonders bei den vermeindlich billigen fossilen Energien und die trügerische Erwartung nur von Freunden umzingelt zu sein. Diese „große“ Politik ist aber nicht meilenweit von uns entfernt. Nein, die Folgen sind nicht mehr nur direkt vor unserer Haustür angelangt. Nein, sie sind wahrlich in unserem Zuhause angekommen.

Klimaschutz

Darum müssen wir handeln, in den Bereichen, in denen wir Verantwortung tragen:
Entscheidend für unsere Zukunft wird sein, wie wir mit dem Klimawandel und der Energiewende umgehen. Als der dünnbesiedelste Landkreis des Landes ist es folgerichtig, dass bei uns Windkraft und Freiflächenfotovoltaik eine große Rolle spielen. Wo sonst? Wir Grünen wünschen uns deutlich mehr davon bei uns. Wenn bei der Getreideverwendung nur 22,8% für Nahrung verwendet wird, 53,6% für Tierfutter, 8,2% für industrielle Verwertung und 9,5% für Energie, zeigt dies deutlich, dass wir keiner Hungersnot entgegen steuern, wenn mehr Fläche für Freiflächenfotovoltaik zur Verfügung gestellt wird. Gerne wird auch argumentiert, doch zuerst versiegelte Fläche zu nutzen. Dem widersprechen wir nicht. Aber wir fragen, warum wurde dann die große Park-and-Ride-Parkfläche in Lauda, die endlich ihrer Bestimmung übergeben wurde, nicht vorbildlich dafür genutzt?

Der Landkreis muss Vorbildfunktion haben und nicht nur Mindeststandards erfüllen, wie dies beispielhaft beim Neubau der Straßenmeisterei in Külsheim geschieht.

Bisher wurde bei der Ausschreibung des Stromverbrauchs, Ökostrom, weil preislich auch konkurrenzfähig, angeboten und genutzt. Bei der diesjährigen Ausschreibung, die extrem kurzfristig erfolgen musste, wurde dieses Kriterium nicht berücksichtigt. Mehr als schade. Da nur ein einjähriger Vertrag abgeschlossen wurde, sollte und kann dies bald korrigiert werden. Der Anbieter Stadtwerk Tauberfranken ist auf dem Weg 2025 klimaneutral zu sein und wird ab dem kommenden Jahr 100% Grünstrom ohne Mehrpreis liefern. Die beiden anderen Lieferanten nehmen sich dies bestimmt zum Vorbild und ziehen nach, wenn dies nicht sowieso schon geschieht.

Unser 2016 beschlossenes Klimaschutzkonzept ist in die Jahre gekommen. Dies zu evaluieren und fortzuschreiben ist uns schon seit einiger Zeit eine Herzensangelegenheit. Gut, dass die Vorarbeiten geleistet wurden und im kommenden Jahr vorangetrieben werden. Inzwischen haben sich, erfreulicherweise, einige Städte und Gemeinden auch auf diesen Weg gemacht. Ohne KlimaschutzmangerInnen werden wir aber nicht voran kommen. Das Land Ba-Wü unterstützt dies ja auch deutlich und wir Grüne hoffen sehr, dass den wenigen vorbildlichen Kommunen andere noch folgen werden.

Die beiden im laufenden Haushalt ausgewiesenen Stellen haben wir vor einem Jahr sehr begrüßt, denn 1 ½ Stellen bei der Energieagentur reichen nicht aus. Leider hat sich die Besetzung der Stellen nicht im gewünschten Tempo umsetzen lassen. Der Klimaneutralitätsmanager hat zu Beginn dieses Monats seine Aufgaben übernommen. Sein Tätigkeitsfeld wird sich mehr nach innen richten, um die Verwaltung Richtung Klimaneutralität voran zu bringen, die Stelle für das Energiemanagement muss erst noch  ausgeschrieben werden, weil die Förderrichtlinien zu lange unklar waren. Glücklicherweise hat das Stadtwerk Tauberfranken vor Jahren eine Klimaschutzmanagerin eingestellt, die auch von den Kommunen stark nachgefragt wird. Wir fragen uns allerdings, ob es nicht sinnvoll wäre, auch direkt beim Landkreis eine entsprechende Stelle zu schaffen. Diese Mammutaufgabe, die die Zukunftsfähigkeit unseres Landkreises bestimmen wird, ist nur mit einem starken Team zu leisten.

Mobilität

Ein wichtiger Teilaspekt beim Klimaschutz ist der Bereich Mobilität. Sicher verkennen auch wir Grünen nicht, dass im ländlichen Raum das Auto nicht völlig verbannt werden kann und folglich auch Mittel in den Straßenbau fließen müssen. Gerne wird uns vorgehalten, dass dies ja notwendig sei, um den Busverkehr zu ermöglichen. Dies stellen wir auch nicht in Abrede und tragen insbesondere die Mittel für die Deckensanierungen mit. Allerdings erwarten wir schon, dass diese Mittel nicht unterjährig deutlich aufgestockt, beziehungsweise überschritten werden. Aber es macht schon einen Unterschied, ob man im warmen Auto sitzt beim Bahnübergang oder als Bahnfahrer im Freien steht, bei Regen und in Kälte ohne Gebäude.

Die fehlende Mobilitätszentrale beim Bahnknoten Lauda ist ein Trauerspiel und das nicht erst seit 2 1/2-Jahren. Hoffentlich kann wenigstens die Förderung des Landes, die am Jahresende wohl ausläuft, gerettet werden. Dieses Problem wurde hier schon so oft thematisiert, dass ich heute auf weitere Aussagen dazu verzichten möchte. Wenigstens konnte in Wertheim der Schritt in die Zukunft getan werden. Die Signale des Landes, wenn die Tauberbahn absehbar schon nicht elektrifiziert wird, wenigstens bald Hybridfahrzeuge einzusetzen, ist ein erfreuliches Zeichen – dann muss „nur noch“ die Zuverlässigkeit wieder erreicht werden.

Bei der Frankenbahn werden wir hoffentlich mit dem gemeinsamen Schulterschluss vor dem Auslaufen des Probebetriebs zu einem erfolgreichen Ende, nämlich der Verstetigung, kommen. Gut wäre auch, wenn man einen Zeitplan für die Umsetzung der Machbarkeitsstudie für die dringend gebotene Modernisierung der Frankenbahn sehen könnte. Auch dies kann nur gemeinsam und mit starken Partnern aus der Region erfolgen. Die ersten Weichen sind da offenbar gestellt.

Die VGMT kann nicht nur feiern, sondern auch neue, zukunftsweisende Ideen entwickeln. Hinsichtlich des Ruftaxiangebots können wir nur immer wieder darauf hinweisen, dass hier vor allem noch mehr Aufklärungsarbeit und Informationsveranstaltungen vor Ort notwendig sind. Nach dem Ende der Pandemie ist dies ja auch wieder möglich. Das Jobticket steckt leider immer noch in den Kinderschuhen.

Der Ausbau des Radwegenetzes schreitet voran. Neben dem wichtigen touristischen Aspekt sollte aber auch der Alltagsradler im Fokus stehen. Die E-Bikes haben in unserem leicht hügeligen Gelände neue Möglichkeiten geschaffen. Überdachte Unterstellmöglichkeiten und Ladesäulen sollten bei allen Kreiseinrichtungen vorbildhaft eine Selbstverständlichkeit sein.

BioMusterRegion

Vor gut einem Jahr hat der Regionalmanager seine Arbeit aufgenommen und erste Ergebnisse konnten erzielt werden. Wir glauben aber, dass die Expertisen sowohl der Steuerungsgruppe als auch regionaler Akteure noch stärker einfließen könnten. Auch bei der Vorbildfunktion des Landkreises und seiner Einrichtungen sehen wir noch Potential. Ebenso sollte beim Tourismus die Biomusterregion noch stärker in den Vordergrund gestellt werden. Es liegt noch ein weiter Weg vor uns.

Sozialpolitik

Der größte Einzelhaushalt ist der Sozialetat. Es war gut und hilfreich auch bei den diesjährigen Vorberatungen hierauf den Schwerpunkt zu legen, auch um zu sehen, dass wir hier wenig beeinflussen können.

Die Eingliederungshilfe steht mit einem riesengroßen Fragezeichen im Raum. Sicher war das Bundesteilhabegesetz ein Schritt in die richtige Richtung, aber wie so oft liegt die Problematik im Detail. Da kann man nur gespannt sein, was uns in diesem Jahr noch erwartet.

Die Jugendhilfe wird sich im kommenden Jahr nicht mehr so stürmisch entwickeln, wie wir das in der Vergangenheit schon erlebten. Den Antrag der FWV-Fraktion, den Förderanteil des Landkreises bei der Schulsozialarbeit zu erhöhen, können wir ohne Wenn und Aber mittragen.

Bei der Hilfe zur Pflege hat ein Bundesgesetz mal dem Kreishaushalt geholfen – zumindest im kommenden Jahr.

Beim neuen Bürgergeld müssen die genauen Auswirkungen noch abgewartet werden.

Neue Dynamik ist beim Thema Geflüchtete entstanden. Die von uns oft kritisierte fehlende Fertigstellung der Unterkunft Zwischen den Bächen in Bad Mergentheim liegt wohl in den letzten Zügen. Dass diese dringend notwendig sind, war vorauszusehen, wenngleich die große Anzahl der Personen aus der Ukraine keiner erahnen konnte. Bisher hat die Unterbringung vor allem deswegen relativ reibungslos geklappt, weil die Zivilgesellschaft ein riesiges Engagement gezeigt hat. Vielen Dank an die HelferInnen. Dass der Krieg in der Ukraine so lange andauert bzw. noch andauern wird, war kaum vorhersehbar. Darum ist sowohl die neugeschaffene Stelle bei der Sachbearbeitung inzwischen überfällig, als auch die Schaffung von Stellen als IntegrationsmanagerInnen vor Ort. Integration kann nur im Zusammenspiel von Menschen aus der Zivilgesellschaft, als auch von ausreichend geschulten, empathischen SachbearbeiterInnen gelingen.

Die Unterbringung des Gesundheitsamts ist der Bedeutung dieses Amts nicht würdig und zielführend. Wir erhoffen uns da bald Lösungsvorschläge.

Zum Thema sozialer Frieden gehört auch, dass unsere Gesellschaft langsam auseinander driftet, sowohl mental als auch finanziell. Es ist sehr bedauerlich, dass Polizeieinsätze gegen Reichsbürger und im rechtsradikalen Milieu auch bei uns im Main-Tauber-Kreis notwendig waren.

Klare Stellungnahmen und Unterstützung auch von der Verwaltungsspitze würden wir uns in Zukunft wünschen.

Personaletat

Der zweitgrößte Ausgabenposten ist und bleibt der Personaletat. Die Personalgewinnung ist eine große Herausforderung geworden, was uns auch das vergangene Jahr gezeigt hat. Darum hat auch der Bereich Fortbildung, Ausbildung und das Halten von Mitarbeitern noch mehr an Bedeutung gewonnen. Neben Aufstiegschancen spielt auch die Work-Life-Balance eine immer stärkere Rolle, also Homeoffice und Teilzeit. Zu konkreten Stellen haben wir uns bereits bei den Teilhaushalten geäußert.

Bei der letztjährigen Haushaltsrede haben wir bereits bemängelt, dass die Stelle des oder der Gleichstellungsbeauftragten nicht besetzt ist. Leider hat sich daran nichts geändert. Wir hoffen sehr, dass der „strukturierte“ Prozess, sicherlich gab es vorher keinen unstrukturierten, bald vom Erfolg gekrönt sein wird.

Investitionen und Finanzen

Der Neubau der Straßenmeisterei in Külsheim verläuft planmäßig, auch wenn hier energetisch mehr möglich gewesen wäre.

Ebenso geht die Sanierung des Berufsschulzentrums Wertheim voran. Es vergeht keine Sitzung ohne Vergaben. Die Puffer sind wohl fast aufgebraucht, aber wir nähern uns auch dem Ende der Vergaben.

Am Horizont sind aber bereits die nächsten Liegenschaften, die es zu sanieren gilt, in Sicht: das Berufsschulzentrum Tauberbischofsheim, vor allem die Gewerbliche Schulen, und das Sonderpädagogische Zentrum in Unterbalbach. Diese gehören zu unseren Pflichtaufgaben und nicht nur, aber uns besonders wichtig, sind uns dabei vorbildliche energetische Modernisierungen.

Auch unsere Beteiligung an der Kurverwaltung Bad Mergentheim wird bei der Sanierung der Wandelhalle entsprechend deutlich zu Buche schlagen. Gott sei Dank gibt es dann nur noch wenige übrig gebliebene Gebäude und das Parkhotel wurde von Herrn Mayer in Erbpacht übernommen. Dessen große Investitionen werden das Kurbad deutlich voran bringen. Das Doppeljubiläum 2026 kann kommen.

Die Digitalisierung ist ein weiteres Megathema. Der Spatenstich für die Verlegung des Glasfasers fand vor kurzem in Boxberg statt. Uns war diese Glasfasernutzung von Anfang an wichtig. Es ist gut, dass hier privates Kapital einfließt.

Nächste Dauerbaustelle: Kloster Bronnbach. Es ist richtig, dass Geld für ein Sanierungskonzept im Haushalt eingestellt wurde. Dieses Kleinod wird uns noch viele Jahre beschäftigen. Mit Augenmaß und ohne Hast kann hier nur Schritt für Schritt umgesetzt werden. Die Besucherzahlen können nur gesteigert werden, wenn die entsprechenden Angebote zur Verfügung stehen. Auch wenn es eine Freiwilligkeitsleistung ist, können wir uns von der übernommenen Verantwortung nicht mehr lösen.

Ein Jahr ohne Debatten über die Kreisumlage ist selten geworden. Sie, die Kreisumlage, bleibt in der prozentualen Höhe beim Hebesatz erhalten, steigt aber durch die höheren Steuerkraftsummen der Kommunen. In den kommenden Jahren soll der Hebesatz aber wegen der enormen Investitionen deutlich steigen. So steht dies in der mittelfristigen Finanzplanung, die wir heute auch zu beschließen haben. Dies alles reicht aber nicht aus, sondern die Verschuldung wird ungeahnte Höhen erleben. In den vergangenen Jahren konnte man den Schuldenanstieg nicht nur verhindern, sondern sogar die Schuldenlast verringern und die Rücklagen erhöhen. Dies wird uns in Zukunft schwerlich gelingen. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass es sich um wichtige Zukunftsinvestitionen handelt. Die erhöhten Abschreibungen werden aber auch zu erwirtschaften sein, also eine weitere Herausforderung.

AWMT

Die Tochter ohne Schulden. Zumindest die letzten Jahre. Die geplanten Verbesserungen bei den neuen Recyclinghöfen unterstützen wir nachdrücklich, auch und gerade wenn dabei mehr Mitarbeiter zum Einsatz kommen werden. Bei der Neukalkulation der Gebühren erhoffen wir uns einen Mengenbezug, um Anreize der Müllvermeidung zu schaffen. Oberstes Ziel ist und bleibt die Müllvermeidung.

Das Jahr 2023 beginnt mit vielen Unsicherheiten sowohl beim Kreishaushalt als auch bei vielen KreiseinwohnerInnen, trotzdem soll uns der Mut und die Zuversicht für die Zukunft nicht fehlen, die Herausforderungen zu meistern. Darum stimmen wir dem Kreishaushalt in allen Teilen zu.

Es ist nicht nur ein guter Brauch, sondern gelebte Realität: ich bedanke mich auch im Namen der gesamten Fraktion der Grünen sowohl bei Ihnen Herr Landrat Schauder, bei den DezernentInnen und MitarbeiterInnen der Verwaltung, aber auch den KollegInnen des Kreistags für die gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit auf die wir im neuen Jahr gut aufbauen können. Das bewährte Zusammenwirken auf Ebene der Fraktionsspitzen ist ein Erfolgsrezept für den Landkreis.

Ihnen allen wünschen wir eine besinnliche Adventszeit, ein frohes Fest, einen guten Rutsch und ein gesundes und glückliches 2023.

 

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