Die Zukunft der Landwirtschaft
Podiumsdiskussion mit MdEP Maria Heubuch
„Mir geht’s immer d’rum, keine Fronten aufzubauen“, so fasste die Europaabgeordnete der Grünen, Maria Heubuch, ihr Auftreten bei einer Podiumsdiskussion mit dem Leiter des Landwirtschaftsamtes Meinhard Stärkel im Gründerzentrum in Tauberbischofsheim treffend zusammen. Sie wolle erklären, wie es den Bauern bei uns geht. Ohne Schuldzuweisungen, sach- und lösungsorientiert verlief dann auch die Diskussion mit den anwesenden Imkern, Landwirten und Verbrauchern.
Maria Heubuch betreibt mit ihrer Familie selbst einen Hof in der Nähe von Leutkirch mit 50 Milchkühen und kennt die Probleme der Landwirtschaft aus eigener Erfahrung. Seit 2014 ist sie im Europaparlament und dort Mitglied in den Ausschüssen für Entwicklung und Agrarpolitik. In Deutschland gäben täglich elf landwirtschaftliche Betriebe auf, europaweit seien dies 500. „Die Höfe werden weniger, die Zahl der Tiere ist dagegen kaum gesunken“, so Heubuch. Die Bauern seien gezwungen, entweder aufzugeben oder die Flucht nach vorn anzutreten und durch Rationalisierung und Industriealisierung der Landwirtschaft stets das Maximale statt das Optimale aus dem Boden zu holen, um aber gerade noch existieren zu können. „In Frankreich sind die Landwirte der Berufsstand mit der höchsten Selbstmordrate“, berichtete die Europaabgeordnete und verwies auf die desaströsen Folgen der Industrialisierung der Landwirtschaft: „Sie führt zum Verschwinden von Landschaften, einem
Agrarökologische Ackerbaumethoden statt Glyphosat
Das Totalherbizid Glyphosat werde im Gegensatz zu den Herstellerangaben nicht abgebaut, sondern lande in der Nahrungskette. Maria Heubuch hat ihren und den Urin von Kollegen darauf testen lassen. Obwohl sie nicht mit diesem Mittel umgehe, sei es bei ihr gefunden worden. Wenn man die richtigen agrarökologischen Ackerbaumethoden nutze, könne man auf Glyphosat verzichten. Das sei mit modernen landwirtschaftlichen Maschinen möglich, aber nicht zu Weltmarktpreisen. Sie kritisierte die vorige Bundesregierung, die Glyphosat für weitere fünf Jahre zuließ ohne zu sagen, was danach kommt. Frankreich mache es besser. Dabei verbiete der Lebensmittelhandel teilweise heute schon den Einsatz des umstrittenen Pflanzenschutzmittels.
Die Landwirtschaft sei beim Klimawandel Opfer und Täter zugleich. Sie trage zu etwa fünfzehn Prozent zum Ausstoß an klimaschädlichen Gasen bei und leide gleichzeitig unter den Klimaveränderungen mit Stürmen, Starkregen und Trockenperioden. „Sie ist aber auch Teil der Lösung“, findet Maria Heubuch, weil Pflanzen das schädliche Kohlendioxid aus der Luft wieder binden.
Kritik übte die Europaabgeordnete an der Agrarpolitik der EU. Dabei sei klar, dass wegen des Brexit gespart werden müsse. EU-Kommissar Günther Oettinger wolle die Agrarsubventionen, immerhin 37 Prozent des EU-Haushalts, zwar gezielter ausgeben und an ökologische Ziele knüpfen. Kleinbetriebe sollen stärker gefördert werden als große, weil selbst kleine konventionelle mehr Artenreichtum ermöglichen als große biologische Betriebe. Die Feststellung der Zielerreichung werde aber den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen. Die Ziele seien teils auch widersprüchlich wenn einerseits Umweltverträglichkeit und andererseits Weltmarktfähigkeit gefordert werde. Maria Heubuch sprach sich für widerspruchsfreie, klar formulierte und messbare Ziele aus, deren Verfehlen sanktioniert werden müsse, ohne die Verbraucher zu belasten. Es komme darauf an, jetzt den Druck aufzubauen, damit für die 2021 beginnende siebenjährige Periode der europäischen Agrarpolitik die richtigen Leitplanken eingerammt werden.
Regionale statt europaweite Vorschriften
Meinhard Stärkel, Leiter des Landwirtschaftsamtes, sprach sich dafür aus, manches lieber locker und in der Verantwortung der Regionen statt europaweit einheitlich zu regeln. Zu unterschiedlich seien die Naturräume und Klimazonen in der EU, so dass die Lösungen auf die jeweilige Region angepasst werden sollten. Landwirte würden sich vielfach zu Unrecht angegriffen, an den Pranger gestellt und von der Gesellschaft nicht mehr verstanden fühlen. Er plädierte dafür, wissenschaftlich sauber zu arbeiten und Ursachenangaben wissenschaftlich zu begründen. Es sei beispielsweise nicht definiert, was unter Massentierhaltung zu verstehen ist. Große Ställe seien nicht grundsätzlich schlechter als kleine. Viele kleine, dunkle und geschlossene Ställe mit Anbindehaltung, die er in seiner Jugend kennen gelernt habe, seien für das Tierwohl wesentlich ungünstiger als moderne große. Wegen der hohen Investitionskosten in der Landwirtschaft mit langen Abschreibungszeiten seien jedoch auskömmliche Preise für Lebensmittel entscheidend. Stärkel kritisierte „Lockvogelangebote, um Kunden in den Laden zu locken, um andere Produkte abzusetzen.“ Er wies auch darauf hin, dass die Landwirtschaft aufgrund des Bevölkerungswachstums immer mehr Menschen ernähren muss. Während heute auf der Erde circa 7 Milliarden Menschen lebten, rechne man in 10 Jahren mit 9,3 Milliarden.
In der Diskussion kritisierte Maria Heubuch die heutige „Technikgläubigkeit“. Es sei ein Irrglaube, dass man die Probleme der Landwirtschaft nur mit Hilfe der Digitalisierung in den Griff bekomme. Das Erfahrungswissen der Landwirte dürfe nicht verloren gehen. „Je höher der Traktor, umso weiter ist der Bauer vom Boden entfernt“, zitierte sie einen Kollegen. Eine Gefahr der Digitalisierung sei zudem, dass unklar ist, wem die dabei anfallenden Daten gehören, die von den modernen landwirtschaftlichen Maschinen an die Hersteller gesandt werden.
Die Moderatorin Birgit Väth, Kreisvorsitzende der Grünen Main-Tauber, musste schließlich aus Zeitgründen die angeregte Diskussion abbrechen. Sie bedankte sich bei den Referenten mit einem Buchgeschenk für ihre informativen Beiträge und den Zuhörern für ihre Fragen.