Harte Landung
Die Grünen Main-Tauber analysierten Wahlergebnis
In der ersten Kreismitgliederversammlung der Grünen nach den Europa- und Kommunalwahlen ging es vorwiegend um die Analyse und Aufarbeitung der Ergebnisse. Aus Berlin hatte sich dazu per Video der Betreuungsabgeordnete für den Main-Tauber-Kreis, MdB Dr. Sebastian Schäfer, zugeschaltet.
Schäfer dankte den Parteimitgliedern vor Ort für ihren engagierten „Wahlkampf mit Wind im Gesicht“. Bei den Ergebnissen habe der Bundestrend durchgeschlagen. Es sei eine harte Landung geworden. Zu wenige Wählerinnen und Wähler trauten den Grünen momentan zu, die aktuellen Probleme lösen zu können. Besonders dramatisch sei die Entwicklung bei den jungen Wählern. Sie seien in großer Zahl insbesondere zu Kleinparteien abgewandert, in den Städten sei hier „Volt“ besonders erfolgreich gewesen. Nun sei eine „ehrliche Analyse des Wahlergebnisses“ angesagt. Vor der Bundestagswahl 2025 und den Landtagswahlen im Osten sei die Situation sehr ernst.
Haushaltskrise
Eine Einigung beim Haushalt sei aktuell ausgesprochen schwierig. Bundesfinanzminister Christian Lindner würde sich aktuell wenig flexibel zeigen, die Investitionsnotwendigkeiten in der Bundesrepublik zu erfüllen. Eine höhere Verschuldung des Bundes wäre für Dr. Schäfer „kein Drama“. Für Frieden in der Ukraine, der kein Diktatfrieden sein dürfe, brauche es eine „robuste Unterstützung“ der Ukraine, um Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen. Ein Waffenstillstand nach Putins Bedingungen würde zu weiteren Aggressionen Russlands gegen seine Nachbarstaaten führen. Insbesondere das Baltikum und die Republik Moldau seien dann gefährdet.
Sollten die Haushaltsgespräche scheitern, seien Neuwahlen nicht auszuschließen. Gerade jetzt sei die Stabilität Deutschlands in der Mitte Europas besonders wichtig, insbesondere vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der Turbulenzen in Frankreich. Die Grünen müssten in diesen schwierigen Zeiten geschlossen und stabil bleiben. Es sei nicht die Zeit für Flügelkämpfe. Schäfer ist davon überzeugt, dass die Grünen „die richtigen Ideen“ haben. Ihre Antworten auf die Herausforderungen orientierten sich evidenzbasiert an Fakten, nicht an Stimmungen. Es komme darauf an, sie besser zu kommunizieren. Er beklagte dabei die von Russland gesteuerten Angriffe in den sozialen Medien, die das Ziel hätten „unsere Gesellschaft zu unterminieren“.
Grüne Erfolge
Abschließend sprach Dr. Schäfer der Versammlung Mut zu. Die Bundesregierung könne auf große Erfolge bei der Energieversorgung und beim Klimaschutz verweisen. Die Regierung habe eine gemeinsame europäische Asylpolitik erreicht, auch wenn darin „viele Punkte für uns schwer erträglich sind“. Eine gemeinsame europäische Politik sei ohne Kompromisse nicht möglich. Die Menschen könnten solche Kompromisse besser akzeptieren, meinte eine Versammlungsteilnehmerin, wenn gleichzeitig genau erklärt werde, in welchen Punkten die Grünen abweichende Meinungen dazu vertreten.
Kreisrat Rainer Moritz stellte fest, dass die Grünen bei den Kommunalwahlen weniger stark verloren haben als bei der Europawahl, „je kommunaler, desto besser sind unsere Ergebnisse“. Die Kreistagsfraktion verlor einen Sitz und ist nun mit vier Kreisräten vertreten. Obwohl der Wahlvorschlag der Grünen einen Frauenanteil von 45 Prozent aufwies, wurde keine gewählt, bedauerte Moritz. Der Frauenanteil im ganzen Kreistag von 6,5 Prozent sei so gering wie noch nie.
Mandate im Kreis gleichmäßiger verteilt
Zwar verloren die Grünen einige Gemeinderatssitze, gleichzeitig gewannen sie jedoch in einigen Gemeinden welche, in denen sie erstmals kandidierten. „Kreisweit betrachtet haben wir wieder ebenso viele Mandate wie vor fünf Jahren“, stellte Moritz fest. Sie seien nun gleichmäßiger im Landkreis verteilt. Auch habe man etliche neue Mitglieder gewinnen können.
Eine Besorgnis erregende Verrohung der politischen Auseinandersetzung diagnostizierte der in Igersheim neu gewählte Gemeinderat Max Schwab. Sein Haus wurde kurz vor der Wahl mit Eiern beworfen und es habe noch nie so viel Vandalismus gegeben wie diesmal. Eine Rekordanzahl von Strafanzeigen wegen Sachbeschädigung an Plakaten der Grünen bestätigte die Kreisvorsitzende Birgit Väth.
Sorgen um die Tauberbahn
Die massive Verschlechterung des Zugangebots auf der Tauberbahn empört die Grünen Main-Tauber. Thomas Tuschhoff kritisierte, dass zwischen Lauda und Crailsheim bis Ende Juni alle Züge am Nachmittag und Abend ausfallen. Es gebe nur noch Schienenersatzverkehr mit Bussen, der jedoch eine viel längere Fahrzeit benötige. Die Anschlusszüge würden dadurch nicht erreicht. Gabriele Bachem-Böse berichtete, dass dies Auswirkungen auf die weiterführenden Schulen habe. Schüler würden den Unterricht vorzeitig verlassen, um noch den letzten Zug zu bekommen. Allen gegenteiligen Versprechungen zum Trotz habe sich das Angebot verschlechtert statt verbessert, so Tuschhoff. Die im Januar angekündigte Zukunftskommission für die Tauberbahn sei noch immer nicht eingesetzt worden. Der normalerweise im Februar feststehende Bestellfahrplan für das Jahr 2025 sei noch immer unbekannt. Wegen des Umbaus im Bahnhof Markelsheim wolle die Westfrankenbahn das ganze Jahr 2025 in Igersheim, Markelsheim und Elpersheim nicht mehr halten. Die Gleisbauarbeiten rechtfertigten ein solch langes Aussetzen der Zughalte nicht, findet Tuschhoff. Gemeinsam mit anderen wollen sich die Grünen in nächster Zeit für einen attraktiven und funktionierenden Zugverkehr auf der Tauberbahn einsetzen.