Wer gut behandeln soll muss gut behandelt werden
Sozialminister besucht Rotkreuzklinik in Wertheim
„Es muss sich ´was ändern“, dieser Hilferuf ihrer Kolleginnen und Kollegen aus der Rotkreuzklinik in Wertheim war für die Betriebsratsvorsitzende und grüne Stadträtin Birgit Väth der Grund, den baden-württembergischen Minister für Soziales und Integration, Manne Lucha, in die neu gebaute Klinik auf dem Reinhardshof einzuladen. Vor allem die Pflegekräfte arbeiteten ständig am Limit, weil ihre Leistungen in den Fallpauschalen nicht ausreichend berücksichtigt werden und deshalb zu wenig Personal vorhanden sei, beklagte Väth. Dabei sei ihr bewusst, dass diese Probleme nur bundespolitisch gelöst werden können.
Unterstützt wurde Väth von der Bundestagskandidatin der Grünen, Charlotte Schneidewind-Hartnagel. Sie saß in der letzten Wahlperiode gemeinsam mit Minister Lucha im Sozialausschuss des Landtags und in der Pflege-Enquête. In den zahlreichen Podiumsdiskussionen, an denen sie in den letzten Wochen und Monaten teilgenommen hat, habe das Thema Pflegenotstand stets eine große Rolle gespielt. In den überregionalen Medien sei dies aber nicht entsprechend deutlich geworden.
Die Rotkreuzklinik Wertheim wurde für 46 Millionen Euro neu gebaut, davon kamen 27 Millionen vom Land. Vom Sozialministerium werde das Haus als Musterbeispiel betrachtet und Interessenten zur Besichtigung empfohlen, berichtete Birgit Väth. Der gesteckte Zeit- und Kostenrahmen wurde eingehalten und der Bau ermöglicht optimale Abläufe. Ärztlicher Direktor Dr. Wilhelm Freiherr von Lamezan machte auf die wichtige Versorgungsfunktion des kleinen Krankenhauses mit seinem breiten Leistungsspektrum „von der Entbindungs- bis zur Palliativstation“ für den Raum Wertheim aufmerksam. Stolz ist er dabei auch auf die eigene Küche, die das Essen für die Patienten frisch zubereitet und damit zunehmend auch umliegende Firmen mit versorgt. Die Klinik halte Leistungen vor, auch wenn sie nicht alle wirtschaftlich erbracht werden können, um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten und ihr weite Fahrten in größere Krankenhäuser zu ersparen. Dies ist vor allem in Notfällen extrem wichtig, ergänzte Pflegedirektorin Christiane Rösch. Zentralisierung wie in Schweden führte zum Beispiel dazu, dass dort die Rate an Totgeburten sehr viel höher ist als hier.
Bürgermeister Wolfgang Stein schilderte die besondere Lage von Wertheim: „Wir haben dieselbe Fläche wie die Stadt Mannheim, aber nur 10 Prozent der Einwohner“. Krankenhäuser seien personalintensiv. „Gesundheitsleistungen müssen uns aber auch etwas wert sein“, meinte er und bedankte sich bei der Landesregierung für die Förderung des Neubaus der Klinik.
Minister Lucha versicherte, dass sich sein Haus trotz aller Konzentrationsprozesse jeden Standort genau anschaue und dabei die geografische Sondersituation berücksichtige. „Wir in Baden-Württemberg kümmern uns darum, dass die Krankenhäuser betrieben werden, die wir brauchen“, versprach er. Der gesellschaftliche Zusammenhalt dürfe nicht riskiert werden. Wertheim sei anders zu bewerten als der Mittlere Neckarraum. Deshalb habe dieses Krankenhaus auch die relativ höchste Förderquote erhalten. Ihm, der einst selbst Krankenpfleger war, seien aber auch die Probleme der Pflege bekannt. „Gut behandelt werden Menschen nur von Menschen, die selbst gut behandelt werden.“ Die Pflegeberufe müssten attraktiver werden. Gleichzeitig warnte er davor, alles nur schlecht zu reden. Dies führe nur dazu, dass sich junge Menschen für andere Berufe entscheiden, denn „die Konkurrenz ist groß“. Damit wolle er nichts schönreden, sondern die gute Zukunftsperspektive aufzeigen. Denn „der Pflege gehört die Zukunft“.
Parteiübergreifend sei man sich dessen bewusst, „dass wir die Krankenhäuser nicht weiter auspressen können“, versicherte Lucha. Der Landesbasisfallwert sei zu gering und müsse erhöht werden. Die Mehrerlösabgaben müssten vom Tisch kommen. Krankenhäuser müssten zumindest eine schwarze Null erreichen können. Deshalb nehme er auch gerne die Wünsche und Anregungen der Klinik mit nach Stuttgart.
Auf die von Bürgermeister Stein angesprochenen Probleme der hausärztlichen Versorgung erwiderte der Sozialminister, dass die Landespolitik auch hier schon mit Stipendienprogrammen aktiv geworden sei. Es entschieden sich wieder mehr junge Mediziner dafür, den Facharzt für Allgemeinmedizin zu machen.
Bei einem anschließenden Rundgang durch das neue Gebäude verschaffte sich Minister Lucha einen persönlichen Eindruck vom Gebäude und der Qualität der Patientenversorgung.