Wie retten wir den Wald?
Vielfältige Bedrohungen
Der Klimawandel gefährdet unsere Wälder. Um der Frage nachzugehen, wie sie gerettet werden können, haben die Grünen Main-Tauber zwei Fachleute ins Gründerzentrum nach Tauberbischofsheim eingeladen.
Anna Deparnay-Grunenberg ist nicht nur Europaabgeordnete, sondern auch Diplom-Forstwirtin mit 10-jähriger Erfahrung in der Kommunalpolitik. Sorgen bereiten ihr die verheerenden Waldbrände, die auf zu große Trockenheit zurückzuführen sind und immer früher im Jahr auftreten. „In Europa sind im letzten Jahr 800.000 ha Wald abgebrannt“, so Deparnay-Grunenberg. Gründe dafür sieht sie in der Trockenheit, in Monokulturen und in menschlichem Fehlverhalten, wenn zum Beispiel Feuer durch Zigarettenstummel leichtfertig entfacht werden. Sie beklagt, dass nur 10 Prozent des Geldes für die Vorbeugung von Waldbränden ausgegeben werden und 90 Prozent für das Löschen. „Dieses Verhältnis muss umgekehrt werden“, ist sie überzeugt.
Keine Kahlschläge
Die Funktionen des Waldes seien sehr vielfältig. Er sei Klimaregulierer, CO2-Speicher, Lebensraum und Arbeitsplatz. Neben zahlreichen Nichtholzprodukten wird vor allem Holz als Baustoff und Energiequelle benötigt. „Für die Stromerzeugung ist es aber viel zu schade“. Deparnay-Grunenberg bedauert, dass die EU diese Nutzung gegen den starken Widerstand der Grünen als nachhaltig gelabelt hat. Dies führe zu einer nicht nachhaltigen Waldwirtschaft zum Beispiel in den baltischen Staaten. Kahlschläge lehnt die Forstwissenschaftlerin strikt ab. Sie seien in Europa leider weitestgehend erlaubt und alltägliche Praxis in vielen EU-Mitgliedsstaaten. Kritik übt sie an Rumänien, wo Holz aus Kahlschlägen mit einem FSC-Zertifikat versehen zu Dumpingpreisen exportiert wird. Darin sieht sie eine Wettbewerbsverzerrung.
Das Waldsterben führt laut Deparnay-Grunenberg dazu, dass wir Biodiversität und Kohlenstoffspeicher verlieren, der Wasserkreislauf unterbrochen wird sowie Landschaft und Erholungswert verloren geht. Gerodete Flächen würden CO2 abgeben und zu Bodenerosion führen. „In den baltischen Staaten und in Finnland wird dadurch so viel CO2 freigesetzt wie im Verkehr“, machte sie die Dimension des Problems deutlich.
Große Unterschiede in Europa
Auf Grund von Interessenkonflikten sei es bisher leider nicht möglich gewesen, sich in der Europäischen Union auf eine ökologische Waldwirtschaft zu verständigen. Vor allem starke Forstlobbys aus Schweden und Frankreich sowie ein Fokus auf kurzfristige wirtschaftliche Interessen verhindern das. Wegen unterschiedlicher Erhebungsmethoden fehle es auch an einer europaweit einheitlichen Datengrundlage. Ein Gesetz zu entwaldungsfreien Lieferketten soll die Entwaldung in und außerhalb der EU aufhalten. Auch würden verbindliche Ziele für die CO2-Speicherung festgelegt. Die illegale Abholzung und die industrielle Holzverbrennung sollen gestoppt werden. In Verhandlung sei sie bezüglich weiterer Gesetze zur Schaffung einer einheitlichen Walderhebung und einem Gesetz zur Erhaltung der Bodengesundheit.
Wald nutzen und scharf jagen
Ulrich Mergner war Forstbetriebsleiter in Ebrach. Er ist Naturschützer, Mitglied im Ökologischen Jagdverband und Buchautor. Er hält die Trennung zwischen Forstwirtschaft und Naturwald für nicht zielführend, weil die aktuellen Probleme alle Wälder betreffen. Um den Wald zu erhalten müssten allerdings die CO2-Emissionen reduziert und der Klimawandel gestoppt werden. Der Klimawandel führt dazu, dass die Niederschläge im Winter zu- und im Sommer abnehmen. Es gibt weniger Schnee, der die Wasseraufnahme des Bodens verlangsamt. Im Winter seien die Bäume aber nicht in der Lage, das Wasser aufzunehmen und im Sommer fehle es ihnen. Mergner plädiert dafür, Holz als CO2-Speicher zu nutzen, zum Beispiel zum Bauen oder für Möbel. Denn wenn man alte Bäume nicht mehr entnehme, sinke die Fähigkeit des Waldes wieder, Kohlenstoff zu speichern. „40 Jahre nach der Umwandlung zum Naturwald hat er seine maximale CO2-Speicherung erreicht“, so Mergner, „danach stellt sich ein Gleichgewicht auf niedrigerem Niveau ein“. Indem man das Holz nutzt kann man die Speicherfähigkeit des Waldes verlängern.
In Deutschland seien 30 Prozent der Fläche bewaldet, 50% würden landwirtschaftlich genutzt. Davon dienten allerdings nur 47.000 km2 der Produktion von Grundnahrungsmitteln, 20.000 km2 der Erzeugung von Treibstoff und Biogas und 100.000 km2 der Futtermittelerzeugung. „Wenn man die Fläche für das Tierfutter auf 87.000 km2 reduzieren würde, könnte man die Waldfläche auf 57 Prozent erhöhen und damit 23 Prozent der aktuellen CO2-Emissionen binden“, so Mergner.
Für die Erhaltung der Biodiversität ist ein Naturschutzkonzept erforderlich. Der Forstexperte hält es für wirksamer, viele kleine Flächen der Natur zu überlassen, als wenige große. Um Wasser in den Wäldern zu belassen sollen das Kronendach geschlossen gehalten, Tümpel angelegt, Gräben geschlossen und Hangrückewege verboten werden. „Totholz ist Moderholz und Wasserspeicher“. Wie ein Schwamm nehme es Wasser auf und gebe es wieder ab. Die Bodenverdichtung müsse verhindert werden, zum Beispiel durch den Einsatz von Kleinraupen statt großer schwerer Maschinen.
Um den Wildverbiss zu reduzieren appelliert Ulrich Mergner an die Jäger, scharf zu jagen, „das dient dem Wald und dem Ökosystem“, ist er überzeugt. Deparnay-Grunenberg ergänzt dies mit der Forderung, das Rehwild nicht zu füttern um den Bestand klein zu halten.
Was können die Verbraucher und die Kommunalpolitk tun?
In der anschließenden Diskussion wurden Windräder im Wald kritisiert und die Verlagerung auf landwirtschaftliche Flächen gefordert. Anna Deparnay-Grunenberg gab zu bedenken, dass oft gerade die windhöffigsten Standorte bewaldet sind und setzt sich dafür ein, die möglichst besten Standorte für Windräder zu suchen und die Eingriffe in den Wald zu minimieren. Stadtrat Leonhard Haaf (Tauberbischofsheim) kritisierte, dass die Holzverbrennung nicht dem Emissionshandel unterliegt. Stadtrat Philipp Lutzmann (Bad Mergentheim) fragte, was man als Verbraucher für die ökologische Waldwirtschaft tun kann. Ulrich Mergner hält die PEFC-Zertifizierung für „praktisch wertlos“. Für besser hält er FSC-zertifiziertes Holz, „allerdings nur aus Deutschland“. Die zu erfüllenden Kriterien unterschieden sich von Land zu Land sehr stark. Das Herkunftsland werde aber leider nicht angegeben.
Auf die Frage der Kreisvorsitzenden Birgit Väth empfahlen die beiden Referenten den anwesenden Kommunalpolitikern, bei der Waldeinrichtungsplanung Ökonomie, Ökologie und Soziales zu kombinieren. Orientieren könne man sich dabei an der Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft. Zu fordern sei zudem ein Natur- und Artenschutzkonzept, empfohlen wird ein Bürgerwaldrat.